“Stop met bonussen. Je bereikt hier niets mee. Betaal in plaats daarvan transparante en eerlijke lonen”, zegt Antoinette Weibel, hoogleraar Human Resources Management aan de University of St. Gallen. Het salarissysteem van financieel ondernemer Tom van der Lubbe van Viisi Hypotheken heeft haar overtuigd. Lees hieronder het complete Duitstalige interview (met Nederlandse samenvatting).

Waarom wil je de bonus afschaffen?

Nederlandse samenvatting

In dit interview spreekt Antoinette Weibel zich uit tegen de enorme toegenomen beloning van CEO’s, die momenteel 137 keer zoveel verdienen als een gemiddelde werknemer. Ze zegt dat dit niet te rechtvaardigen is. Er is geen correlatie meer tussen de beloning en de prestatie van de onderneming, aldus Weibel. Bovendien leidt het volgens haar tot frustraties bij werknemers.

Bonussen? Die hadden we volgens haar al na de laatste financiële crisis moeten afschaffen. Volgens Weibel liggen ze aan de basis van veel wat er mis gaat in onze economie.

Casino-kapitalisme

De hoogleraar aan de University of St. Gallen  spreekt over ‘casino-kapitalisme’. Ze pleit in het artikel voor een bedrijfsvorm die zowel winst in geld als sociale winst tot doel heeft. Ze verwijst verder naar het salarismodel van Viisi Hypotheken, waar iedereen in dezelfde functiegroep met dezelfde werkervaring evenveel verdient. Ze is daar een voorstander van.

Weibel spreekt over “systeemfouten”. “Wie stijgt naar de Olympus van de economie? Degenen die keer op keer over dezelfde onderwerpen publiceren. Namelijk naar deze oude economische, neoliberale scholen. De stoelen worden meestal toegewezen aan degenen die het meest publiceren. En je kunt het meeste publiceren als je je aan de leer houdt. Daarom marcheert iedereen in dezelfde richting.”

Double Income no Kids, du musst reich sein?

Mein Ziel war es nie, unglaubliche Reichtümer anzuhäufen. Aber ja, ich bin sicher privilegiert. Wir haben ein Haus und es bleibt Ende Jahr immer genug übrig, um sich noch in die Pensionskasse einzukaufen.

Was sind denn deine grössten Ausgaben im Monat?

Das ist peinlich. Ich weiss es gar nicht so genau. Ich hätte spontan und augenzwinkernd gesagt, verschiedene Oberteile für die unzähligen Video-Calls während Pandemiezeiten, aber eigentlich sind es wohl die Ausgaben für die private Krankenkasse. Das ist mir wichtig.

Du bist Ökonomin, da kümmerst du dich bestimmt bestens um die Finanzen?

Leider nein. Wir sind beide Ökonomen und mein Mann hat sogar mal das Geld einer Stadt verwaltet. Deswegen habe ich das an ihn delegiert. Vielleicht war ich auch zu faul. Es ist ein Privileg, sich nicht mit Geld beschäftigen zu müssen.


Also auch nicht mit dem Investieren?
Da könnten wir wohl beide besser werden und mehr in Aktien investieren. Wir sind dran. Aber immer, wenn ich mehr Geld wollte, habe ich mehr gearbeitet. Ich will auch nicht aufhören nach 65. Solange man mich brauchen kann, will ich arbeiten.

Aber der Faktor Arbeit wirft so viel schlechtere Gewinne ab als der Faktor Kapital…?

Ja – und das ist falsch. Der Faktor Arbeit ist nur noch auf oberster Stufe lohnend. Seit den 1970ern sind die CEO-Gehälter stark gestiegen – in den USA zum Beispiel um 1330 Prozent und jene der Arbeiter: innen nur um 18 Prozent.

Wenn ich mir die Statistiken der CEO-Posten anschaue, haben davon vor allem Männer profitiert?

Definitiv. Das spiegelt sich auch im hartnäckigen Gender Wealth Gap, in der Vermögenslücke zwischen den Geschlechtern.

Sind diese CEO-Löhne denn mit Leistung überhaupt zu rechtfertigen?

Eben nicht. Die Forschung zeigt, dass der Lohn eines CEO und die Leistung des Unternehmens nicht miteinander korrelieren. Im Gegenteil: Die Aktien-Optionen, welche diese Entwicklung befeuern, korrelieren mit Gaming, sprich betrügerischem Verhalten. Darum sind die Superlöhne eine der schädlichsten Geschäftspraktiken von Unternehmen. Und dazu noch irrational.

Wie meinst du das?

Diese exorbitant hohe Entlohnung ist im Sinne von niemanden. Wenn der Oberste im Schnitt 137 Mal mehr verdient als der Unterste, dann findet das niemand gerecht. Jeder versteht, dass das nichts mit Leistungsgerechtigkeit zu tun hat. Und wenn dann auf den unteren Ebenen noch zusätzlich gespart und geknausert wird, dann sehen wir in Studien, dass Mitarbeiter:innen derart frustriert sind, dass sie zur Sabotage greifen und auch schlecht über das Unternehmen reden.

Im Übrigen ist das einfach nicht anständig und unmoralisch. Wieso sollte man glauben, dass andere Mitglieder der Organisation so wenig beitragen und andere so viel? Wer soll mehr verdienen: der Pfleger auf der Covid-Station oder der Investmentbanker? – Eben. Ich halte mich an die Tugendethik von Aristoteles: Wenn Geld beginnt, Gier zu produzieren, dann wird es problematisch. Man hätte nach der Finanzkrise im Übrigen alle variablen Lohnbestandteile wie Boni verbieten sollen. Das wäre die einfachste und pragmatischste Lösung gewesen.

Diese Schere zwischen den Löhnen: Wie kontte das so aus dem Ruder laufen?

Dafür sind auch die Kompensations-Ausschüsse in den Verwaltungsräten verantwortlich. Ich rufe diese Kompensations-Komitees hiermit dazu auf: Seid mutig, endet diese irrationale CEO-Entlöhnung! Seid sicher, dass ihr einen neuen Menschen finden werdet, der es für weniger Geld, aber mit mehr wahrem Interesse an der Aufgabe übernehmen wird.

Dieses Gebaren schmälert ja auch die Gewinne der Aktionäre, diese müssten sich doch auflehnen?

Ja, dieses Unheil hat auch damit zu tun, dass wir immer weniger treue Aktionäre haben, die sich noch als echte Eigentümer sehen. Zur Zeit beobachten wir eher einen Casino-Kapitalismus, der komplett abgekoppelt von der Realwirtschaft läuft. Das hat negative Folgen für unsere Unternehmen und unsere Gesellschaft. Wir sollten doch weiterhin Kreativität, Unternehmertum und Arbeit hochschätzen und nicht die finanziellen Wetten weniger Investmentgesellschaften bevorzugen.

Wie könnte man diese Fehlentwicklungen korrigieren?

Es gibt radikale und weniger radikale Lösungen. Wir arbeiten daran. Firmen sollen auch zum Gemeinwohl beitragen. Es geht nicht nur um das Aktionärswohl, sondern auch um andere Anspruchsgruppen, vor allem auch um die Mitarbeiter. Wenn die Firmen die Mitarbeiter:innen anständig entlöhnen würden, bräuchten wir auch kein bedingungsloses Grundeinkommen. Oder die Unternehmen würden die Mitarbeiter:innen mehr mitentscheiden lassen.

Deutschland kennt das Konzept der Betriebsräte. Mitarbeitervertreter:innen sitzen da auch in der Aufsicht. Das Konzept der Soziokratie ist interessant, da sind immer Vertreter der Mitarbeiter dabei. Diese und andere Stakeholder wirken in sogenannten Anchor Mission Circles strategisch mit. Eine andere spannende Initiative in Deutschland ist die Verantwortungs-Eigentums-Initiative, die dort von der FDP unterstützt wird. Das ist eine neue Rechtsform, eine Mischung aus Stiftung und GmbH für verantwortungsvoll wirtschaftende Firmen.

Da gibt es aber auch Bewegungen im angelsächsischen Raum?

Ja, da geht es auch dort um neue Rechtsformen – etwa um die Benefit Corporation. Es handelt sich um eine Art gemeinnützige GmbH “For profit, but social”. Es geht darum, gute Bedingungen für diese sozial wirtschaftenden Firmen zu schaffen.

Und in der Schweiz?

Hierzulande ist man zu konservativ. Neue Ideen tun sich schwer. Die Verfilzung aufgrund unserer Kleinräumigkeit ist massiver. Dabei ist das nicht eine Frage von links oder rechts. Es geht nur darum, die Augen aufzumachen, was in der Welt sonst noch passiert.

Aber wurzelt das Problem nicht auch in den Wirtschaftswissenschaften?

Ja, diese alternativen Konzepte sind nicht wirtschaftswissenschaftlicher Mainstream. Wir stehen hier erst am Anfang. Es würde dem Berufsstand der Ökonomen und Juristen aber sehr gut tun, wenn sie generell mit vielfältigeren Blickwinkeln unterwegs wären.

Tragen Ökonom:innen denn Scheuklappen?

Wir haben Systemfehler. Wer steigt in den Olymp der Wirtschaftswissenschaften auf? Jene, die zu den ewig gleichen Themen publizieren. Nämlich zu diesen alten ökonomischen, neoliberalen Schulen. Die Lehrstühle werden meist nach dem Prinzip an jene vergeben, die am meisten publizieren. Und man kann am meisten publizieren, wenn man der Lehrmeinung entgegen kommt. Deswegen marschieren alle in dieselbe Richtung.

Das ist beängstigend. Liegt es auch daran, dass so wenige Frauen mitmarschieren – an der HSG hat es ja wenig Frauen?

Ja, es hat zu wenig Frauen an der HSG. Eine Business School ist immer auch Abbild der Wirtschaft. Da kann man sich fragen: Warum verlassen so viele junge Frauen nach einem Jahr die HSG? Die dominante, uniforme, eher männliche Kultur, der Konkurrenzdruck und das Leistungsdenken sind daran nicht unschuldig.

Was hältst du von Geld als Konzept?

Es ist eine tolle Erfindung. Es ermöglicht Austausch. Seine Funktionalität ist praktisch. Ich mag das Konzept, also die Art und Weise, wie wir mit Geld umgehen, aber nicht die psychologischen negativen Effekte von Geld an sich.

Und von digitalen Währungen, Krypto?

Als Vertrauensforscherin ist Krypto für mich natürlich interessant. Dieses Konzept will die Intermediäre, die Vermittler wie die Banken abschaffen. Das Krypto-Geldsystem vertraut also nicht auf Institutionen, Menschen und Vermittler, sondern auf ein technisches System. Die Frage ist, ob wir derart auf Technik vertrauen wollen? Und wer kontrolliert dann das System? Da ist die uralte Frage: “Who guards the guardians”? Wo sind die Checks & Balances? Und momentan ist dieses Geldsystem schlecht reguliert. Es bräuchte aber eine adäquate Regulierung. Die hinge aber nicht mehr am Nationalstaat, sondern müsste global sein. Und wir kennen ja diese internationalen Gremien, diese zahnlosen Tiger, die ständig von den eigenen Mitgliedern blockiert werden.

Wenn du einen Wunsch in Sachen Geld an die Wirtschaft hättest, was wäre der?

Hört auf mit den Boni. Sie bringen nichts. Zahlt stattdessen transparente und faire Löhne. Das Lohnsystem von Finanz-Unternehmer Tom van der Lubbe hat mich überzeugt. Es gibt nur fünf Lohntypen und innerhalb dieser Typen verdienen alle gleich viel. Und alle wissen, wie viel jede:r verdient und verdienen wird. Es ist ein einfaches, geniales System und merzt Ungerechtigkeiten aus und zieht Menschen, welche nur des Geldes wegen kommen, nicht an. Wer für Geld kommt, geht nämlich auch wieder für Geld.<